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WÜRDEvolle Genügsamkeit

Aktualisiert: 26. Feb. 2020

Langsam wendet es anmutig den Kopf zur Seite, als würde es etwas erlauschen. Gelassenheit und Genügsamkeit ausstrahlend. Ein sanfter Blick unter langen Wimpern.

Das Wesen der Dromedare ist für mich berührend.

Gedanken an Wüsten sind eng verbunden mit Kamelen, sie sind das Symbol für Wüste schlechthin. Kein Wüstenbericht ohne Kamele im Sonnenuntergang.

Dann diese unweigerlich wiederkehrenden Überlegungen zur Anzahl der Höcker. Dromedar oder Kamel? Alle Dromedare sind auch Kamele, nicht alle Kamele sind Dromedare. Das zweihöckrige Kamel ist das Trampeltier. Jamal, arabisch das Kamel. Dromadaire auf französisch. Das Dromedar, auch arabisches Kamel genannt, wird biologisch der Gruppe

der Altweltkamele zugeordnet.




Ich kenne Menschen, die lieben Kamele sehr, andere belächeln sie.

In manchen Wüstenberichten überwiegen die Beschreibungen des störrischen, eigensinnigigen Charakters. Scheint so, dass es verschiedene Persönlichkeiten gibt, ähnlich wie bei Pferden, obwohl Kamele und Pferde in ihrem Wesen völlig unterschiedlich sind und auch auf Situationen unterschiedlich reagieren.

Einmal kamen wir am Wüstenrand an einem Skelett eines Dromedars vorbei (was des öfteren passiert). Omar hatte es gekannt, es sei ein besonders freundliches Dromedar gewesen.

Er selbst gibt auch jedem seiner Tiere einen Namen, es seien seine "Kinder". Da ist das helle, das uns bei der ersten Tour begleitet hat, Sefer, und das Jüngste, Dechan, und schliesslich der bisschen eigenwillige Famua, der immer alleine fressen will.





Dromedare sind freundliche und intelligente Tiere, sagt Omar. Sie verlieren in der Wüste niemals die Orientierung, sie folgen instinkthaft den Plätzen mit den besten Pflanzen; sie finden immer den Weg zum bekannten Brunnen, zum Lagerplatz oder zum heimischen Stall zurück. Sofern sie Lust darauf haben.

Ein bisschen kann ich das heute miterleben, als wir einen Spaziergang zum Brunnen, etwa eine Stunde vom Dorf M´hamid entfernt machen. Omar schöpft das Wasser aus dem Brunnen, aus einem runden Behälter trinken sie. Einzeln. Ohne Drängeln. Kamele können in sehr kurzer Zeit große Mengen an Wasser trinken, angeblich in 15 Minuten bis zu 200 Liter.

Kamele können zwar keinen Wasservorrat anlegen, verfügen aber über verschiedene körperliche Mechanismen, die ein langes Überleben ohne Wasser ermöglichen. Die Beschaffenheit ihres Blutes erlaubt es den Kamelen, einen Wasserverlust bis zu einem Viertel des Körpergewichts zu ertragen. Im Höcker wird lediglich Fett gespeichert. Es schwitzt erst ab einer Körpertemperatur von etwa 42 Grad und kann nachts bis auf 34 Grad abkühlen.


Eines der Kamele wirkt heute unruhig. Es schleudert nach dem Trinken seine fleischige Zunge mit blubbernden Lauten in eine Ecke des Maules. Das schaut lustig aus und klingt urig. Es hat wohl irgendwo ein Weibchen gewittert…Es trabt davon und legt sich in den Sand und wälzt sich darin voller Vergnügen. So ein Sandbad lieben die Dromedare…

Später liegen wir auf einer Sanddüne und geniessen die überraschend starke Wintersonne. Es ist vollkommen still, der Himmel blau. Mitte Jänner. In der Ferne zwischen den kargen Tamarisken die Silhouette der Dromedare, die dort wohl unterschiedlichstes struppiges Pflanzenzeug fressen. Sie entfernen sich schnell in der Suche nach Grünem. Irgendwann sind sie für mich nicht mehr wahrnehmbar,- es ist Zeit aufzubrechen.


Omar singt im Gehen laut vor sich hin und irgendwann befindet er sich auf der Höhe des ersten Kamels, langsam verringern sich die Entfernungen zwischen den Fünfen, sie schienen auf irgendeine Weise verstanden zu haben, dass es wieder heimwärts geht, denn sie beginnen die Richtung des Dorfes anzusteuern. Erst noch langsam. Ich begleite die ersten zwei, die sich immer wieder umdrehen, um nach Omar und den anderen zu schauen. Herdentiere. Ich halte Abstand neben dem fast 2 Meter hohen Tier. Ich mag ihre Nähe, aber habe auch Respekt, die Geschichten von übelgelaunten, beissenden Kamelen in Erinnerung. Ihre Größe und ihr Gewicht, das mächtige Gebiss, sowie ihre Fähigkeit sowohl mit Vorder-als auch Hinterbeinen in jede Richtung treten zu können, können ja durchaus gefährlich werden. Annäherung ist deshalb nur von vorne oder seitwärts in gleichmäßiger Geschwindigkeit ratsam.




Die zwei finden ihren Weg zielstrebig, weiter hinten folgt Omar mit den anderen. Nach einiger Zeit haben sie sich in einer Reihe zusammengefunden, und wir marschieren hinter ihnen. Zielstrebig schreiten sie durch die sandigen Gassen des Dorfes bis zum Stall mit der blauen Türe. Wir beobachten aus der Entfernung, wie ein Mann am Wegrand auftaucht und sie fotografiert. Er ist sichtlich ebenfalls fasziniert von der eigenständigen Karawane, ein Australier, der uns später von den weissen Kamelen in seinem Land erzählt.



Der Kameltreiber - Chamelier


Immer wesentlicher Teil einer Karawane. Er ist für das richtige Beladen der Tiere zuständig, führt sie an einem Strick, lässt sie zum Fressen in der Wüste frei, und findet sie nach einiger Zeit des Suchens -wer weiss wie -immer wieder. Er bindet abends die Vorderbeine zusammen, sodass sie nicht in die Dunkelheit entschwinden und am Lagerplatz ruhen, und er gibt ihnen zusätzliches Futter, um sie bei Kräften zu halten. #Chameliers haben eine enge Beziehung zu den Tieren und die Versorgung prägt den Rhythmus einer Wüstentour. Für mich war es eine sehr erfüllende Erfahrung, den ganzen Tag in der Nähe dieser Tiere zu sein, und sie in der Nacht von meinem Schlafplatz im Sand in unmittelbarer Nähe atmen zu hören.


„Ich spüre, wenn meine Tiere durstig sind und sie Wasser brauchen, auch wenn sie hungrig sind. Wenn sie zulange im Stall gestanden sind, dann weiss ich, dass sie wieder Bewegung brauchen, da sie sonst traurig werden, dann wandere ich mit ihnen ein paar Stunden in die Wüste. Ich spüre, dass meine Dromedare mich lieben und ich liebe sie auch; Manchmal kommen sie und reiben ihren Kopf an mir, oder abends wenn ich Feuer mache suchen sie meine Nähe und legen sich neben mich“, erzählt Omar.



Bis zu 150 kg können Kamele tragen



Das Beladen beginnt stets mit dem Ausbreiten zweier Decken auf dem Rücken des Tieres, um es vor dem Druck des Gepäcks zu schützen. Darauf dann der schwere Sattel mit den Haltegriffen. Es folgen die beidseitigen Körbe ( immer grün!), die gleichmäßig befüllt werden: Lebensmittel (oft Unmengen an Gemüse und Obst, aber auch Fleisch, Eier, Kaffee, Teekanne mit Gläser, Reis und Nudeln….), der Gaskocher, Küchenutensilien, Decken, Matratzen, Zelte mit Stangen, und je nach Dauer der Tour und Anzahl der Reisenden eine Menge Wasserflaschen. Selbst trinken sie meist Brunnenwasser.

Fast immer äußern die Dromedare ihren Unmut über das Gewicht durch tiefe Laute, und die Frage, ob man hier die Tiere quält kommt natürlich auf. Immer wieder erkundigen sich Wüsteninteressierte vor einer Tour, ob die Kamele gut behandelt werden. Das bedeutet: genügend Futter, Wasser, Pausen, keine zu schweren Lasten, respektvoller Umgang.





Die Kamele müssen anfangs dressiert werden, das dauert ca. einen Monat. Ich erinnere mich, als wir einmal mitten im Ort ein Kamel an einer Leine sahen,- es wirkte störrisch -und Omar den jungen Männern lachend etwas zurief. Dromedare müssen langsam daran gewöhnt werden, Gewicht und dann auch Menschen zu tragen und auf Kommandos zu reagieren.


Wieviel kostet ein Kamel,


werde ich des öfteren gefragt. „Das ist schwer zu sagen, meint Omar. Es ist kompliziert.

Sehr teuer, der Preis ist nicht fix. Er muss verhandelt werden“ Mit bis zu 2000 Euro könne man für ein erwachsenes Kamel schon rechnen.




Der große, sehr bekannte wöchentliche #Kamelmarkt in der Stadt Guelmim im Süden Marokkos ist zu weit entfernt. Omar hat seine Tiere vor einigen Jahren in der Wüste bei Nomaden gekauft. Doch worauf kommt es an? Man schaut sich das Tier gut an, für Wüstentouren muss es kräftig und freundlich sein, es soll also nicht alt sein, das Gebiss vollständig. Mehr kann er mir dazu nicht erklären, er spüre es einfach, ob es ein gutes Kamel sei. Inzwischen besitzt er fünf, alle sind männlich, da nur diese für seine Arbeit geeignet sind. Den Umgang mit den Kamelen hat er von seinem Vater gelernt, als sie noch gemeinsam in der Sahara als Nomaden lebten und 10 Tiere besassen.


Otl Aicher schrieb: "Sonst ist das Kamel eher komisch als ästhetisch. Man nimmt es hin, denn ohne Kamele würde kein Mensch in der Wüste existieren" (Gehen in der Wüste, S.109).

Von den Wüstenbewohnern werden sie Gottesgabe genannt. Sie ermöglichten Fortbewegung und Lastentransport über weite Strecken in der Wüste und damit den Handel über tausende Kilometer hinweg. Aber es liefert auch Fleisch und die besonders vitaminreiche, aber fettarme Milch, die Wolle dient der Herstellung von Decken und Zelten und in manchen Regionen dient Kamelkot als Brennmaterial. Im Dorfzentrum von M´hamid ist das große Schild, das auf den Verkauf von #Kamelmilch hinweist, unübersehbar. Einmal, als ich mit einem Auto aus der Unterkunft in der Wüste Richtung Zagoras mitgenommen wurde, machte der marokkanische Fahrer dort halt, und der Becher mit der Milch wurde herumgereicht. Es schmeckte!




Heutzutage dienen Kamele auf andere Weise dem Überleben: Wüstentouren mit Touristen als einzige Einnahmequelle für die sesshaft gewordenen ehemaligen Nomaden, oft kombiniert mit einer Jeepfahrt. Für viele Menschen ist es verlockend, einmal im Leben auf einem Kamel zu reiten. War das früher noch wirklich selten der Fall, so berichten Reisende zunehmend über diese Erfahrung. Quasi ein Schaukelpferd für eine kurze Runde, ein Spaziergang in der Palmerie in Marrakesch oder auch eine mehrtägige Tour in der Wüste- was wirklich ein besonderes Erlebnis sein kann.




Auch mein eigener erster und einziger Ritt auf einem Dromedar fand auf ziemlich touristischen Wegen statt, am Strand von Sidi Kaouki, nahe von Essaouira an der Atlantikküste. Einerseits sehr fasziniert vom Ausblick über Strand und Meer und den wellenförmigen Bewegungen, die die Gangart im Körper bewirkt. Das gleichzeitige Auftreten mit beiden Beinen einer Seite bewirkt das besondere Schaukeln, daher auch die Bezeichnung "Wüstenschiff". "Die Vorderbeine knicken beim Gehen ein, die Hinterbeine bleiben fast gerade. Das macht einen wiegenden Gang. Für den, der reitet, ersetzt es einen Ozean" (Otl Aicher)




Andererseits ist mir unwohl in Anbetracht der Tatsache, dass ein eigenständiges Absteigen nicht möglich ist. Man sitzt in zwei Meter Höhe sozusagen fest. Ein Absprung nicht ratsam. Diese Prozedur des Absteigens muss vom Chamlier mit Kommandos erst eingeleitet werden, worauf das Dromedar stehenbleibt und dann alsbald die Vorderbeine einklappt.

Ein kräftiger Schwung nach vorne, dem man ohne der zwei Haltegriffe nicht gewachsen wäre. Es folgt sogleich der kräftige Schwung nach Hinten durch das Einknicken der Hinterbeine. Seitdem bevorzuge ich eindeutig das Nebenhergehen, mit meinen Füßen fest am Boden, aber in Verbindung mit dem sanften Gang. Manchmal in der Hitze auch den Schatten der Tiere geniessend. Das weiche Auftreten der Füsse, -sie haben keine Hufe, sondern weiche Polsterungen, die vor der Hitze schützen und ein tiefes Einsinken im Sand verhindern, die Langsamkeit und Gleichmäßigkeit der Schritte haben etwas tief Beruhigendes.





"Allah behütet dein Kamel, aber zuerst binde es an einen Baum" (Koran)


Welchen Eindruck hast Du von Kamelen? Schon Erfahrungen gemacht mit Ihnen? Oder Lust bekommen, einmal mit Dromedaren in der Wüste unterwegs zu sein? Freu mich auf Kommentare und Anmerkungen!


 
 
 

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